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25.01.2022

Lean Baumanagement - Interview mit unseren erfolgreichen Absolventen

Nina Schreiner und Claus Gstöttner gehören zu den ersten Absolventinnen und Absolventen des berufsbegleitenden Lehrgangs Lean Baumanagement an der Technischen Universität Graz. Die PORR verfolgt den LEAN-Construction Ansatz als Teil ihrer Strategie und fördert den noch recht neuen Studiengang, indem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermutigt werden, die Ausbildung zu absolvieren. Nina und Claus haben das Studium über vier volle Semester neben ihrer Tätigkeit als Führungskräfte in der pde Integrale Planung absolviert. Wir haben sie zu ihren Erfahrungen interviewt.


Absolventen mit Diplom

Mit welchen Erwartungen und Gedanken habt ihr 2019 euer Studium begonnen?

Nina: Wir sind voller Freude und Neugier in diese spannende, sehr intensive Zeit gestartet. Da wir zum ersten Jahrgang gehörten, gab es noch keine Kolleginnen und Kollegen, die wir fragen konnten, worauf wir uns da einlassen. Aufgrund des vorliegenden Lehrplans war für mich als ausgebildete Architektin das Hauptziel, meine Kenntnisse im Bau-LEAN Management zu vertiefen und später kombiniert in der Praxis anwenden zu können.

Claus: Nachdem ich vor meinem Studium dem LEAN-Ansatz eher skeptisch gegenüberstand, war meine Erwartungshaltung, die Abläufe und das Zusammenspiel mit anderen Disziplinen besser zu verstehen. Und es gab viele „AHA!-Momente“, denn wenn man sich die Themen im Rahmen eines Studiums mit ausgewiesenen Fachexperten und Praktikern ansieht, begreift man die Dinge einfach in der Tiefe.

Wie lange hat das Studium gedauert?

Nina: Los ging es im Wintersemester 2019, natürlich mit Präsenzveranstaltungen. Aufgrund von Corona kam es im Laufe des Studiums zu einigen Verschiebungen und Umplanungen, deswegen haben wir auch die Abschlussprüfung erst im November 2021 absolviert, also im 5. Semester. Und leider konnte wegen der Pandemie auch die geplante Studienreise nach Japan nicht stattfinden, das wäre sicher ein Highlight gewesen.

Was waren einerseits Herausforderungen und andererseits positive Überraschungen?

Claus: Positiv überrascht war ich vor allem, wie breit gefächert die Ausbildung ist und mit welcher Qualität auch die Grundlagen des Baumanagements behandelt wurden. So ist das Studium auch für Nicht-Bauingenieure interessant und absolut empfehlenswert, da hier keine spezifischen Vorkenntnisse gefordert sind. Als große Herausforderung habe ich die Masterarbeit empfunden, nicht zuletzt weil diese natürlich als wissenschaftliche Arbeit mit mindestens 80 Seiten verfasst werden muss. Diesen Seitenumfang haben wir aber alle mit unseren ausgewählten Themen weit überschritten. Beim Schreiben so einer Arbeit kann man sich auch schwer nach einem Arbeitstag mal für eine Stunde dazusetzen. Die meisten von uns haben sich Urlaub genommen, um den Großteil der Arbeit konzentriert und in größeren Zeitblöcken zu schreiben.

Nina: Studium und Arbeit unter einen Hut zu bringen war definitiv nicht immer einfach. Unsere Teams haben in dieser Zeit sehr viel Eigenverantwortung dazu übernommen, dafür sind wir ihnen sehr dankbar, denn ohne ihre Unterstützung hätten wir es nicht geschafft, die Doppelbelastung durchzuhalten.

Welche Themen habt ihr in euren Masterarbeiten behandelt?

Nina: Ich habe unsere Planungsprozesse analysiert und anschließend gemeinsam mit Fachplanern aus den Hauptplanungsgewerken Architektur, Tragwerksplanung und TGA Planung mit Hilfe von LEAN Methoden einen gemeinsamen pde Standard entwickelt. Diesen optimierten Standard habe ich in meiner Arbeit mit dem Titel „Die Standardisierung von Planungsprozessen in integralen Planungsteams“ präsentiert. In der Praxis werden wir diesen Standard bei bei uns in der pde auch gleich umsetzen - mittels einer optimierten Prozessabbildung mit LEAN Design.

Claus: Meine Masterarbeit mit dem Titel „Eine Untersuchung der Faktoren zur Motivation und Einbindung von Projektbeteiligten im Bauwesen in die kollaborative Bauabwicklung mittels LEAN“ befasst sich mit dem Thema wie man Projektmitglieder aus Planung und Ausführung, aber auch aus dem Bereich der Nachunternehmer an die doch sehr weitreichenden Veränderungen heranführt und diesen Prozess gestalten sollte. Für die Ausarbeitung habe ich mich auch intensiv mit Methoden des Change Managements auseinandergesetzt, da diese einen integrativen Bestandteil einer LEAN-Einführung darstellen.

Seht ihr Projekte heute mit dem Wissen aus dem Studium anders als früher?

Nina: Das Studium hat mir ganz klar gezeigt, dass es wichtig ist, die eigenen Prozessabläufe immer wieder zu hinterfragen, zu optimieren und stetig zu verbessern, weil sich nur so Verschwendung vermeiden lässt. Das ist auch der Grundgedanke hinter einem der zentralen Prinzipien von LEAN, dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Interessant war es auch zu beobachten, dass Verschwendung bei anderen immer sehr viel deutlicher wahrgenommen wird als bei sich selbst.

Claus: Die Perspektive hat sich wirklich verändert und oft denke ich mir bei Projekten, wie groß das Potential wäre das LEAN und der integrierte Ansatz bieten könnten, um das Projekt zu fördern und zum Erfolg beizutragen. Oft wird die Einführung als zusätzliche Belastung empfunden, die man normalerweise nicht hätte – in einer Situation, in der Zeit- und Kostenrahmen bei Projekten immer knapp bemessen sind. Aber in jedem Projekt, in dem LEAN von Anfang an richtig eingesetzt wurde, konnte ein Mehrwert erzielt werden. Das bedeutet, dass es eine lohnende Investion ist!

Was würdet ihr Kolleginnen und Kollegen mit auf den Weg geben, die sich jetzt fürs Studium entscheiden?

Nina: Wichtig ist es, genug Zeit für das Schreiben der Masterarbeit im letzten Semester einzuplanen. Dafür sollte man wo es möglich ist, schon „vorarbeiten“, zumindest was die Themenauswahl betrifft. Den zeitlichen Aufwand haben die meisten von uns unterschätzt. Dadurch, dass wir der erste Jahrgang und somit die Pioniere waren, mussten wir das selbst herausfinden.

Was war euer erster Gedanke, als ihr das Prüfungsergebnis erfahren habt?

Nina: Große Freude und Erleichterung – klar! Aber auch etwas Wehmut, da ja auch eine schöne gemeinsame Zeit des Austausches mit den Studienkolleginnen und -kollegen zu Ende ging. Wir waren eine Truppe von 23 PORRianerinnen und PORRianern aus Österreich und Deutschland, aus dem Hochbau, dem Bahnbau, Ingenieurbau, dem Flächengeschäft und der pde und das Studium hat uns sehr miteinander verbunden. Die erste Hälfte des Studiums war sehr wertvoll für die Gruppenbildung und den -zusammenhalt. Von dieser Zeit haben wir in der zweiten Hälfte, als wir fast nur mehr online Lehrveranstaltungen hatten, sehr profitiert, vor allem für die Gruppenarbeiten. Wenn wir uns in Zukunft bei gemeinsamen Projekten begegnen, wird das eine ganz andere Dimension der Zusammenarbeit sein, davon bin ich überzeugt.

Ein Fazit zum Abschluss?

Claus: Dass uns die PORR dieses Studium ermöglicht hat, finde ich großartig, das ist alles andere als selbstverständlich. Deswegen möchte ich dem Vorstand und der Geschäftsführung der pde aber auch den Kolleginnen und Kollegen in der PORR, die hinter dieser Initiative stehen, angefangen bei unserer LEAN Abteilung bis hin zur HR-Abteilung, meinen Dank aussprechen. Ich kann nur jedem und jeder empfehlen: Nutzt diese Chance, wenn sie sich euch bietet!

Simulationen zeigen die Umsetzung von LEAN Construction in der Praxis